Appeasement

 

Soll man Putin in Ruhe weiter die Ukraine erobern lassen, damit er nicht im Zorn die Welt mit atomarem Feuer überzieht? Soll man die Ukraine weiter unterstützen beim Widerstand gegen die Eroberung des Donbas, obwohl man weiß, dass Putin militärisch am längeren Hebel sitzt? Soll man weiter Menschen opfern, für Territorium, für Land, für Grenzen? Darf man sich über Putin lustig machen, obwohl er mächtig ist? Oder sollte man nicht die Ukraine bedrängen ihren Widerstand aufzugeben? Die Krim, den Donbas dem Diktator zu überlassen? Vielleicht gibt er dann ja Ruhe?

Keine einfache Antwort

Ich habe keine einfachen Antworten auf diese Fragen. Aber ich ich kann eine Geschichte erzählen. 

Zu Beginn des Jahres 1936 war die Welt, Europa, Deutschland, kriegsmüde. Viele. Nicht alle. Einige, insbesondere Deutsche, glaubten nicht daran, dass der Traum vom deutschen Großreich, von der Kolonialmacht, der territorialen Hegemonie in Europa, vom deutschen Kaiserreich zu Ende geträumt war. Sie waren es leid, von den Siegern es ersten Weltkriegs als Schuldige vorgeführt zu werden. Ob eingebildet oder nicht - Die Stimmung war real: Schluß mit gefühlter Büßergestik, Diktatfrieden und Republik. Die pluralistische, liberale Demokratie ist schwach. Führer, Volk und Vaterland dagegen sind groß. Schuld sind die anderen - "Wir" sind noch lange nicht fertig. Wir könne zurück zu alter Größe. Auch wenn es die nur in einer retrospektiven Einbildung existierte. Los gehts.

März 1936 - Rheinland

LVR / Portal rheinische Geschichte: Bild: Einmarsch deutscher Truppen in Köln am 7. März 1936, Zuschauer in der Gürzenichstraße, Foto: Julius Radermacher. (NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln / Sammlung Ewald (Bp 7299))

Hitler läßt deutsche Truppen in das entmilitarisierte Rheinland einmarschieren – ein Gebiet, das laut Versailler Vertrag und Locarno-Verträgen entmilitarisiert bleiben musste. Es war ein kalkulierter Schritt: militärisch riskant - die Wehrmacht hätte sich bei einem französischen Eingreifen sofort zurückziehen müssen, politisch kühn, außenpolitisch ein Testballon. Wie waren die Reaktionen?

FrankreichPolitisch geschockt, militärisch handlungsfähig – aber innerlich gelähmt. Die Regierung Blum musste Rücksicht auf eine kriegsmüde Bevölkerung nehmen. Das Militär drängte auf einen Gegenschlag, aber die Politik zögerte. Ergebnis: Protestnoten, keine Intervention. In Großbritannien hielt die Regierung Baldwin hielt Hitlers Schritt zwar für illegal, aber „verständlich“. Viele britische Politiker sahen das Rheinland als „deutsches Territorium“. London riet Paris sogar zur Zurückhaltung.Der Völkerbund verurteilte, aber ohne Konsequenzen. Der Völkerbund wirkte bereits wie ein schwerkranker Patient.

Hitler registrierte zum ersten Mal: Sie reden, aber sie handeln nicht. Frankreich und Großbritannien antworteten mit Protestnoten – aber nicht mit Soldaten. Damit erkannte Hitler: Der Westen ist gelähmt.

März 1938 - Österreich

WDR: "Stichtag" "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich

Die Wehrmacht rückt in Österreich ein. Die Nationalsozialisten verkauften es als „Wiedervereinigung deutscher Brüder“ – eine Propaganda, die bei vielen Österreichern verfing. Gab es Gegenwehr?

Großbritannien und Frankreich: Überraschung, Empörung – aber wieder keine Gegenwehr. Beide Regierungen glaubten, Österreich sei „ohnehin deutsch geprägt“. Beschwichtigungspolitik: Man wollte um jeden Preis Frieden erhalten. In Italien war Mussolini zwar früher Gegner eines Anschlusses, jetzt aber Hitlers Partner. Mussolini nickte den Schritt faktisch ab (auch durch das Bündnis „Achse Berlin–Rom“). Die USA, Präsident Roosevelt kritisierte den Anschluss scharf, aber die USA waren in einer Phase strikter Neutralitätspolitik. Keine Maßnahmen, keine Sanktionen. Völkerbund: Erneut ein zahnloses „Missbilligen“.

Der Westen hoffte, „Hitler werde sich nun sattgegessen haben“. Ein Fehler, wie sich bald zeigen würde.

Herbst 1938 - Sudetenland

Wikipedia: "Munich Agreement". Das am 29.9.1938 in München zwischen dem britischen Ministerpräsidenten Neville Chamberlain, dem französischen Ministerpräsidenten Edouard Daladier, dem italienischen Staatschef Benito Mussolini und Adolf Hitler geschlossene Abkommen ermächtigte das faschistische Deutschland zur Annexion tschechoslowakischen Gebietes.This file is licensed under the Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Germany license. Bild 183-R69173 / CC-BY-SA 3.0

Die Tschechoslowakei war jung, demokratisch, stabil – ein Dorn im Auge der Nazi-Ideologie. Hitler schürte Konflikte um angeblich „unterdrückte“ deutschsprachige Minderheiten. Und besetzte das Grenzgebiet zwischen er Tschechei und Deutschland. Ist das in Ordnung? Hatte das Konsequenzen? Nein. Der Schritt wurde sogar belohnt.

Münchner Abkommen (30. September 1938): Großbritannien und Frankreich glaubten, Hitler „beschwichtigen“ zu können. Die Tschechoslowakei musste das Sudetenland abtreten. Chamberlain sprach von „Frieden in unserer Zeit“.

In Wahrheit war es der letzte Schritt vor dem Abgrund. Wieder kein Widerstand. Wieder ein Triumph für Hitlers Berechnung.

März 1939 – Zerschlagung der Rest-Tschechei

Am 15. März 1939 marschieren deutsche Truppen in Prag ein. Nun fiel die Maske endgültig. Es ging nicht mehr um „Heim ins Reich“, sondern um knallharte imperialistische Expansion. Böhmen und Mähren wurden „Protektorat“. Die Slowakei wurde ein abhängiger Vasallenstaat. 

Der Illusion beraubt erkannte Großbritannien, dass Hitler gelogen hatte. Erste ernsthafte Wende: London begann Aufrüstung und gab Polen Schutzgarantien. Frankreich folgte Großbritannien, wenn auch widerwillig Die Sowjetunion blieb noch skeptisch gegenüber dem Westen. Der Gedanke an ein eigenes Arrangement mit Deutschland wurde stärker. USARoosevelt verurteilte offen, aber blieb faktisch passiv. Neutralitätsgesetz verhinderte Eingriffe.

Jetzt war klar: Der nächste Schritt wird Krieg bedeuten.

1. September 1939 – Der Überfall auf Polen

Mit einem inszenierten Grenzzwischenfall (dem sog. Sender Gleiwitz) begann der Angriff. Damit war der Zweite Weltkrieg entfesselt.

Großbritannien zögert zwei Tage. Am 3. September 1939 erfolgt die Kriegserklärung an Deutschland. Der Moment, in dem die Appeasement-Politik endgültig endete. FrankreichEbenfalls Kriegserklärung am 3. September. Doch Frankreich reagierte strategisch schwach, glaubt nicht wirklich an eine militärische Auseinandersetzung (Sitzkrieg/„Drôle de guerre“). SowjetunionGemäß dem Pakt marschierte sie am 17. September in Ostpolen ein. Offiziell: „Schutz der ukrainischen und belarussischen Bevölkerung“. In Wahrheit: Teilung Polens wie vereinbart. Die USA bleiben neutral. Roosevelt intensivierte aber die indirekte Unterstützung durch Handel und Lieferungen (Lend-Lease kam später). ItalienZunächst neutral, wollte abwarten, wer gewinnt. Erst 1940 an Deutschlands Seite.

Der große Krieg hatte begonnen – eine Tragödie, die sich aus einer Kette verpasster Chancen entwickelte. Der Dominostein war umgefallen – und nun riss er die Welt mit.

Kurzfazit: Europas Versagen in sechs Akten

  • Rheinland: Empörung, aber keine Tat.
  • Österreich: Betroffenheit, aber Schweigen.
  • Sudetenland: Kapitulation auf dem Verhandlungstisch.
  • Prag: Schock – aber spät.
  • Polenkrise: Westliche Garantien – aber ohne Stärke.
  • Überfall auf Polen: Endlich Gegenwehr, aber erst nach dem völligen Kontrollverlust.

Putin?

Hätte der zweite Weltkrieg verhindert werden könne, hätte man Hitler früher in die Schranken gewiesen? Oder wenn man der Aufteilung Polens zwischen Deutschland und der Sowjetunion einfach zugesehen hätte? 

Wird der dritte, atomare Weltkrieg nun ausbrechen, weil Europa und USA (vor Trump), das westliche Verteidigungsbündnis Putin konsequent entgegentreten? Oder wird er ausbrechen, weil wir ihm nicht konsequent genug entgegentreten? Läßt sich der Weltenbrand verhindern, indem man Putin die Krim, den Donbas, die Ukraine überläßt? Oder wird er gerade dann ausbrechen, wenn Putin mit der Ukraine fertig ist und dann Polen, die NATO angreift? So wie Hitler es eben tat?

Wie gesagt, ich habe keine einfache Antwort. Aber eins weiß ich: Putins Krieg wäre sofort Ende, würde er sich hinter die von seinen Vorgängern festgelegten Grenzen von 1991 / 1994 zurückziehen. Wenn er die Demokraten in Ruhe prosperieren ließe und sich bei der Unterdrückung auf sein eigenes Volk beschränken würde. Und die AfD und das BSW natürlich.

Quellen Links

https://de.wikipedia.org/wiki/Appeasement-Politik

Titelbild / Bilder

https://en.wikipedia.org/wiki/Molotov%E2%80%93Ribbentrop_Pact

https://www1.wdr.de/stichtag/stichtag7340.html

https://en.wikipedia.org/wiki/Munich_Agreement

https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Epochen-und-Themen/Themen/die-remilitarisierung-des-rheinlands-am-7.-maerz-1936/DE-2086/lido/642bcedc0af097.30828046

https://nsarchive.gwu.edu/sites/default/files/documents/semon9-giki0/1994-12-05-Budapest-Memorandum.pdf

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