Blöd

Was soll ich machen. Sitze am Flughafen BER und warte auf den Start meines Rückflugs nach Frankfurt. Natürlich - ich fliege mit SAF, CO2 neutral und umweltschonend. Rückreise vom Bundesparteitag der FDP. Ich bin also ein vorbildlicher Staatsbürger. Oder doch nicht?

Natürlich denke ich über den BPT nach. Auf irgendeiner Liste standen nur männliche Namen. Gut, dass die unvermeidliche Nachfrage, "warum wir den wieder keine Frauen auf der Liste hätten" kommt - geschenkt. Man gewöhnt sich dran, dass seit neustem das Geschlecht wieder eine Rolle spielt, bei der Besetzung politischer Positionen. Identität und so. Aber wie sie gestellt wurde, das hätte mich um ein Haar zu der öffentlichen Replik veranlasst: "Ja, und Menschen mit genetischer Disposition zum Haarausfall sind auch zuwenige auf der Liste. Das ist eine Schande. Wer denkt sich sowas aus? Habt ihr vom Präsidium nicht inzwischen auch verstanden, dass es selbst Freien Demokraten nicht mehr auf den Menschen, sondern nur auf Merkmale und Schubladen ankommt? Mann, Mann, Mann."

Ich blieb still. Man weiß instinktiv, wenn man vom Aussterben bedroht ist. Da will man keine Zielfläche abgeben.

Alter weißer Mann mit Glatze. Politisch nicht mehr tragbar

Aber jetzt sitze ich hier und lese. Die "Welt" zum Beispiel. Etwa den Artikel: „Wir müssen unsere Söhne widerstandsfähig gegen toxische Männlichkeitsnormen machen“. Von Kerstin Rottmann. Es geht um die Autorin Anne Dittman und eine Veranstaltung im Berliner Stadteil Prenzlauer Berg, zu der viele Frauen zusammenkamen und sich fragten: "Wie werden aus „unseren“ Jungen gute, verantwortungsvolle, womöglich gar „feministisch“ denkende Männer, und eben keine Machos, „Mansplainer“ oder gar Gewalttäter?"

Mir wirds schlecht, während ich das lese. Buchstäblich. Warum? Ich versuche meine Position zusammenzufassen: Für mich sind alle Menschen gleich. Ich bewerte sie nicht nach ihrem Genom, ihren epigenetischen Merkmalen, ihrer Herkunft. Nicht nach ihrer Identität. Das ist eine der Gründe warum ich freier Demokrat bin. Ich bin fest davon überzeugt, dass niemand ein faschistoider Gewalttäter ist, weil er ein Mann, eine Frau oder sein Vater Wladimir Spiridonowitsch Putin ist. Und ich dachte die Zeiten, in denen es Erbmonarchen, Hexenprozesse und Sklaven gab wären vorbei. Natürlich gibt es Arschlöcher. Aber jedes hat das Recht, isoliert betrachtet zu werden.

Ich zum Beispiel, habe keinerlei Gefühle, schenke niemandem was zum Geburtstag und weine nicht, außer ich habe eine Nierenkolik (da weint jeder, glaubt mir). Ich find romantische Filme scheiße, will keinen Salat beim Grillen sehen und steh auf Heavy Metal. Ich hab mir "Barbie" überhaupt nicht angesehen und fand "Oppenheimer" langweilig, weil viel zuviel über Beziehung gelabert wurde und zuwenig über Neutronen und Atombomben. Außerdem beschreibe ich manchmal Dinge eher zynisch überhöht anstatt präzise und mit dem Wunsch dem Leser zu gefallen. Ich fahre zur Hölle. Was jetzt? Ist meine Mutter daran schuld? Bin ich eine Gefahr für die Öffentlichkeit, die Demokratie?

Möglich. Boarding beginnt gleich. Ich hab die Schnauze voll, am Montag laß ich mein Geschlecht ändern. Smiley.