Schön

 

Es fühlte sich wie der perfekte Tag an. Nicht weil ich heute in mein sechzigstes Lebensjahr starte. Geburtstage bedeuten mir nichts, man erinnert sich: Ich bin der Innbegriff der toxischen Männlichkeit. Aber, mit dem Motorrad und Freunden bei optimalem Wetter durch die wunderschöne französische Provinz fahren - da frage ich mich dann doch ob es das ist, was mir die Zeugen Jehowas versprochen haben. Das Schöne, was ich dereinst erfahren würde, könnte, würde ich Satan abschwören.

Vielleicht hätte ich mich überzeugen lassen sollen. Ich wurde bestraft. Nach dem Dejeuner im malerischen Estaing traf mich die Härte des Schicksals. Nicht die volle, das gebe ich zu. Aber die, die einem echt die Laune verdirbt.



Voller Vorfreude auf die vor uns liegenden Landstraßen bis zum Etappenziel startete ich die treue Duc und fuhr vorsichtig über den nicht allzuhohen Bordstein, der den unbefestigten Platz vom Asphalt trennte. Es folgte ein nicht allzu lautes, aber bei 106 dB Standgeräusch dennoch deutlich zu hörendes "Krrack". So, als würde eine fragile, italienische, aus einer Magnesiumlegierung gefertigte, daher leichte aber spröde Ölwanne zerbrechen, während ihr tiefster Punkt samt Ölablasschraube gegen einen südfranzösischen Basaltbordstein knallt. Ein garstiges Geräusch. Der reine Horror aber ist der Anblick, der sich dem Fahrer, also mir, bietet, wenn er dann nach unten blickt und sieht, wie sich 3 Liter optimal vorgewärmtes Shell Advance Ducati 15W-50 Öl auf die Straße ergießen. 

Merde alors! Wie gesagt, ich habe keine Gefühle, aber Spaß beiseite: der Motorradenthusiast, dem es bei diesem Anblick nicht das Herz zerreißt - den will ich nicht kennenlernen.


Nicht da, wo sie hingehört: Ölablassschraube einer Ducati Streetfighter V4 S. Meiner. 

Dank ADAC sitze ich jetzt in der Brasserie de l'Hotel de Ville in Espailon. Mein Mopped steht ohne Öl ein paar hundert Meter weiter in der Garage der örtlichen Garage. 

Es gibt in der Vielfalt der göttlichen Schöpfung bestimmt schlimmere Orte, als diesen. Schön hier, natürlich am unvermeidlichen Jakobsweg gelegen. Für mich ist es gerade gefühlt die Hölle. Gestrandet, der Flügel beraubt, gefangen. Schön, ja, aber im goldenen Käfig. "Can you tell a green field from a cold steel rail? " Hätte ich doch Zeuge Jehowas werden sollen? Zumindest ein kühles Grohe hätte mir die Vorsehung vorsehen können?


Holländisches Bier in der französischen Provinz. Ist man da jetzt sauer, dass einem sowas an seinem Geburtstag passiert? Oder ist man dankbar, dass nicht was viel schlimmeres passiert ist? Also, ich meine jetzt motorradmäßig. Ich bin unschlüssig. Brauche glaube ich noch ein paar Get 27 um das rauszufinden. Übrigens: DAS Zeug hat nicht Gott in Frankreich erfunden.


Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Wilhelm