Deuteronomium

„Der Fremdling, der in deiner Mitte ist, wird höher und höher über dich emporsteigen, du aber wirst tiefer und tiefer herunterkommen. Er wird dir leihen, du aber wirst ihm nicht leihen; er wird zum Haupt, du aber zum Schwanz.“

Sorry, nicht mein Fluch. Es sind die Worte Moses' im Namen Gottes, genauer die JHWHs. Oder wie auch immer der Genetiv dieses etwas gemeinen Gottes gebildet wird. Aufgeschrieben findet sich der Text im Deuteronomium genannten Abschnitt des alten Testaments. In der Bibel, fünftes Buch Mose, Kapitel 28, Zeile 43 und 44. Es ist die Bestrafung für die, die sich gegen die Gesetze Gottes auflehnen. Also für Liberale.

Falls Sie jetzt denken: "Jetzt hat er komplett den Verstand verloren" sage ich: Nein, meine Brüder und Schwestern. Man wird doch mal aus einem Buch zitieren dürfen, das 2,4 Milliarden Menschen als Grundlage ihres Glaubens, ihrer Ethik bezeichnen? Christen und Juden. Im Koran, also dem Islam, kommt die Beschreibung einer der Strafen der Untreue gegenüber Gott so nicht vor. Trotzdem: Man muß sich doch informieren, was so passieren kann, wenn man Gesetze nicht befolgt? Ist es denn falsch, was da geschrieben steht? Ich sage nur: Ignorantia legis non excusat.

Steinigung?

Ich selbst gehöre keiner Religion an. Demzufolge muß ich mich also weder für den mosaischen Fluch oben rechtfertigen, noch ihn fürchten. Außerdem bin ich freier Demokrat, kein AfD Wähler. Ich empfinde den Fremdling in meiner Mitte, der "höher steigt", nicht als existentielle Bedrohung. Im Gegenteil - Ich bin ja froh, dass irgendwer meine Rente erarbeitet. Und nach dem Willen des Herrn Merz und insbesondere des Herrn Klingbeil, ja schon für bescheidenes Entgelt längst mehr als den biblisch geforderten zehnten Teil der Früchte seiner Arbeit abgibt. Es ist eher so der Vierzigste bis Sechzigste. An der Tanke auch gerne mal der achzigste Teil des erarbeiteten Geldes, den der Fremde an den staatlichen Tempel abführen darf. Da sage ich, auch und gerade dem Fremden und im Namen meiner Kinder: Vielen Dank.

Bevor jetzt konservative Kreise anfangen darüber nachzudenken, wie man das Böse, also mich, aus der Mitte mittels Steinigung entfernt, hier eine vollständigere Auflistung der Aussagen des alten Testaments bezüglich des Verhaltens gegenüber "Fremden". Also, wenn sie brav und lieb sind und nicht wider den Herrn lästern. Und wenn es keine Moabiter, Ammoniter oder Kanaaniter sind. Dennoch, insgesamt von einer gewissen Liberalität und dem Integrationsgedanken geprägt: 

Oder Integration?

KategorieBibelstellenInhaltBotschaft
Schutz & Gleichbehandlung2. Mose 22,20„Einen Fremden sollst du nicht bedrücken noch bedrängen; denn ihr wart Fremdlinge in Ägypten.“Erinnerung an eigene Fremdheit als moralische Pflicht
3. Mose 19,33–34„Wie ein Einheimischer unter euch soll euch der Fremdling gelten, und du sollst ihn lieben wie dich selbst.“Gleichstellung + Nächstenliebe
5. Mose 10,18–19Gott liebt den Fremden und versorgt ihn mit Speise und Kleidung → auch Israel soll Fremde lieben.Göttliches Vorbild für menschliches Handeln
Jeremia 7,6„Unterdrückt nicht den Fremdling, die Waise und die Witwe…“Teil der klassischen Sozialschutz-Gebote
Sacharja 7,10„Den Fremden sollt ihr nicht unterdrücken…“Wiederholung der Gerechtigkeitsforderung
Integration ins Volk2. Mose 12,48–49Fremde dürfen am Passa teilnehmen, wenn sie beschnitten sind.Integration durch Übernahme der religiösen Gebote
4. Mose 15,14–16„Ein Gesetz gilt für euch und den Fremden.“Rechtliche Gleichstellung, sofern sie im Bund leben
Abgrenzung & Einschränkung5. Mose 23,4–7Ammoniter und Moabiter ausgeschlossen „bis ins zehnte Glied“.Schutz der Identität, Erinnerung an Feindschaft
Esra 9–10Verbot von „Mischehen“ mit Fremden; bestehende Ehen sollen aufgelöst werden.Kulturell-religiöse Abgrenzung nach dem Exil
Nehemia 13,23–30Kritik an fremden Frauen, die Kinder „nicht jüdisch“ sprechen ließen.Angst vor Identitätsverlust
5. Mose 7,3–4Verbot, Kanaaniter zu heiraten, da sie Israel von Gott abwenden würden.Schutz vor religiöser Vermischung


Zusammenfassung durch ChatGPT

Erlösung

Also was soll das. Selbst die Bibel, selbst das alte Testament sieht Integration als Pflichtaufgabe an. Ermahnt zur Integration. Aber: die Tatsache, dass es schon vor 5.000 Jahren als gesellschaftliche Qual, als Strafe, als Fluch empfunden wurde, wenn der "Fremde zum Haupt, du aber zum Schwanz" wirst, läßt doch tief blicken. 

Man findet tief vergraben in der Bibel die ebenso tief vergrabene Volksangst davor, von der eigenen Regierung, die ja in Deutschland noch nicht als Volksvertretung sondern als Götzenersatz gesehen wird, gegenüber "Fremden" benachteiligt zu werden. Und, klar, wir reden hier nicht von Zahlen, Daten und Fakten. Es geht um Glauben, um Empfinden, um Gefühle. Um öffentliche Wahrnehmung, um den Diskurs im Zwangsfernsehen. Nicht über die Frage, was ist den ein "Fremder" überhaupt? Nichtmal über die Frage eines vernünftigen Asyl- und Zuwanderungsrechts, geschweige denn von dessen strikter Umsetzung. 

Nein, wir reden hier über Glauben. Von der teilweise in der Politik vollständig verlorengegangenen Empathie gegenüber Gefühlen, von mir aus primitiv zu nennen, die einem selbst vielleicht nicht gefallen oder auch völlig fremd sind. Aber eben Teil der Lebenswirklichkeit zahlreicher Menschen sind. Und die permanent zu ignorieren eben zu Sonntagsfragen führen, wie wir sie aktuell sehen.

Außerdem könnte man der revoltierenden Abstiegsangst ja noch aus einer anderen Richtung begegnen. Wenn man könnte. Entweder schaffen es die Herren und Damen der Bundesregierung schnell die Wirtschaft und den Haushalt in den Griff zu kriegen, Steuern zu senken, den Bürger bürokratisch zu entlasten. Einwanderung und Asyl in Deutschland auf einen vernünftigen Boden zu stellen. Und damit eben zu verhindern dass das "Haupt zum Schwanz" wird. 

Oder die politischen Reiter der Apokalypse, also linke und rechte Katastrophenprofiteure, versetzen uns wieder ins alte Testament zurück. Literally.

Quellen / Links

Bild, Tabelle
https://chatgpt.com

https://www.bibleserver.com/EU/5.Mose28


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