Grundsätzliches
Für einen politischen Menschen scheint mir das unmöglich zu sein. Seinem Grundsatz zu folgen: „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.“ ist in der Stadtverordnetenversammlung Pfungstadts gänzlich ausgeschlossen.
Wirklichkeit und Stadtverordnetenversammlung
Letzter Satz war natürlich nur Spaß, aber, ernsthaft: Es scheint mir ein grundsätzlicher Denkfehler zu sein, dass Sprache ein exaktes, eindeutiges Abbild der Wirklichkeit wäre oder sein könnte. Schon gar nicht wenn wir Sprache im zwischenmenschlichen Kontext betrachten. Oder, das böse Wort in den Mund nehmen: "Kommunikation". Das was ich sage, muß noch lange nicht das sein, was beim Gegenüber ankommt.
Nun hat Wittgenstein in seinen späten Jahren selbst eingesehen, dass seine allzu strengen Anforderungen an Logik und Repräsentation derselben in Sprache etwas zu anspruchsvoll, zu wenig passend, für eben "die Realität" waren. Ich maße mir nicht an, den Philosophen bewerten zu dürfen, zu können. Aber, eines weiß ich: Wir sind keine Roboter. Etwas Milde im Umgang mit den Anforderungen an Logik der zwischenmenschlichen Kommunikation hat sich als zielführend herausgestellt.
Die wahre Kunst der Kommunikation ist nicht die Datenübertagung - sie ist das Zuhören, das Verstehen. Das Entwickeln von Bildern im Kopf. Da würde Wittgenstein sich wohl im Grabe herumdrehen, würde er das lesen. Aber: Ich habe ihm, dem Einsiedler, dem Eigenbrödler doch eines Voraus - ich bin aktiver Kommunalpolitiker.
Problem
Und als solcher stehe ich täglich vor dem Problem, dass Wittgenstein sich irrte. Gerade wir Deutschen lieben es, die Wirklichkeit sprachlich einhegen zu wollen. Uns gegenseitig Grenzen zu setzen, in dem wir Sprache, ich sage es mal etwas übertrieben, mißbrauchen. Und daraus Gesetze machen. Regeln. Verordnungen. Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung. In der Hoffnung, Dinge so ein für alle mal regeln zu können. In der Hoffnung VERSTANDEN zu werden. Hach, der Deutsche, der heimliche Star unter den Romantikern.
Nun ist es aber eben doch genau so, dass es geradezu zwingend so sein müßte, dass Wittgenstein recht gehabt hätte, im "Tractatus". Wenn wir Beschlüsse in der StVV fassen oder Gesetze im Bundestag beschlossen werden. Oder von der Europäischen Kommission. Er irrte sich aber. Warum sonst gäbe es Gerichte, die am Ende doch wieder interpretieren, abwägen und unscharf sein müssen, um der demokratischen, der rechtsstaatlichen Realität Rechnung zu tragen?
Nun, wir können die Folgen dieses Missverständnisses live beobachten. Die EU etwa kämpft einen aussichtslosen Kampf der realen Ambiguität von Regelung, Sprache und Wirklichkeit. In 24 verschiedenen Sprachen. Die "Lösung" die man gefunden hat ist das Bürokratiemonster. Dieses Wesen ist ein direkter Sproß der Idee, alles regeln zu können, zu wollen oder zu müssen. Und der Unmöglichkeit der sprachlichen Umsetzung dieses Anspruchs. Mal vom politischen Unwillen, zumindest einiger, abgesehen.
Deswegen übrigens, bin ich Liberaler. Kein Outlaw, im Gegenteil. Ohne Regelungen gibt es keine Gemeinschaft. Aber, vor allem weil Wittgenstein sich irrte. Und Bulwer-Lytton recht hatte: "Die Feder ist mächtiger als das Schwert", das stimmt. Vor allem auch deswegen, weil das Wort, der Gedanke eben immateriell ist. Unbegrenzt. Frei. Ursprünglich. Das Schwert nicht. Das ist eindeutig, logisch. Und unfrei.
Eindeutig
Was also beschließen wir denn da eigentlich nun, zum Wohle der Stadt Pfungstadt? Oft eben nichts für die Ewigkeit. Es sind Momentaufnahmen, geprägt durch einen engen, einen örtlichen Diskurs, begrenzt auf den Raum (physikalisch) in dem er geführt wird. Es ist viel und gleichzeitig Zuwenig.
Selbst diejenigen, die verfassen und beschließen, fragen sich hinterher oft selbst, was sie denn da jetzt eigentlich wieder formuliert haben. Wie die realen Auswirkungen denn nun sein könnten. Sind überrascht davon, dass andere, viele, den Text ganz anders verstehen, als er gemeint wurde, bevor er den geschlossenen, geschützten Raum verließ. Oft setzt dann, im Angesicht desjenigen, in dessen Namen beschlossen wurde, dem Bürger, ein geradezu erstaunlicher Rechtfertigungsprozess ein. Und ein trauriger. Das sollte so nicht sein.
Hervorragendes Beispiel dafür ist Schrödingers Obdachlosenunterkunft. Die mal da ist und mal nicht, je nachdem, welcher Wind gerade weht. Obwohl ja der Beschluss 94/2024 schwarz auf weiß existiert, sprachlich keinerlei Interpretationsspielraum zulassen kann. Es gibt zahllose weitere Beispiele, für derart schlecht formulierte, uninspirierte und unnötige Beschlüsse im SDnet.
So, worauf läuft das jetzt eigentlich hinaus? Ist das nur Clickbait? Sie könnte ja mal kommentieren, so etwa: "das ist das unglaublichste pseudointellektuelle Gefasel, dass ich seit langem gelesen habe ..." Kann sein. Meine Intention, mein Bild, ist aber ein anderes. Es ist ein Plädoyer für Qualität über Quantität bei städtischen Beschlüssen. Für Eindeutigkeit in den Bildern. Die Leistung einer Stadtverordnetenversammlung misst sich nicht in der Anzahl ihrer Beschlüsse. Im Gegenteil. Weniger Gefasel, dafür mehr Klarheit. Mehr Vernunft. Nicht für die Stadtverordneten. Sondern für den, in dessen Namen beschlossen wird.
Des Bürgers. Grundsätzlich.
Links
Wikipedia - Ludwig Wittgenstein
https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_Wittgenstein
Bild
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Ludwig_Wittgenstein.jpg?uselang=de#Lizenz
Sind wird die Roboter?
https://mzblog.de/2025/07/wir-sind-die-roboter.html
Ordix-Blog. Mathias Zeuner und die Auszeit
https://blog.ordix.de/blogger/mze
Bild: Chance verpasst
https://www.bild.de/politik/ausland-und-internationales/eu-parlament-jetzt-startet-das-misstrauensvotum-gegen-von-der-leyen-686f62ddac61ad562eaf5620
Wikipedia: Der Deutsche ist der echte Romantiker
https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Gedanken_sind_frei
Mathias Zeuner - Schrödingers Obdachlosenunterkunft
https://mzblog.de/2025/05/schrodingers-obdachlosenunterkunft.html
Pfungstadt beschließt Bau einer neuen Obdachlosenunterkunft
https://sdnet.pfungstadt.de/sdnetrim/UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZbhKxIm7Iis6aojCeKaOR20I7S6lOxRWRjoF79ngEdDa/Beschlusstext_94-2024_-oeffentlich-_Stadtverordnetenversammlung_08.07.2024.pdf
Edward Bulwer-Lytton, Richelieu - "The pen is mightier than the sword." 
https://www.britannica.com/quotes/Robert-Bulwer-Lytton-1st-earl-of-Lytton
Artikel als pdf zum Download/Drucken
https://mathias-zeuner.wahl.freie-demokraten.de/sites/default/files/2025-07/Grundsätzliches.pdf
Pfungstadt 2032 - Machen Sie mit!
https://pfungstadt2032.de
https://mzbereit.de

 
 
 
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