Ja, da bin ich pingelig. Mal wieder. Das Echo schreibt über die Diskussion zum möglichen Neubaugebiet "Am Totenmann" in Hahn:
"Der Bau des Neubaugebiets „Am Totenmann“ im Pfungstädter Stadtteil rückt näher. Ein Unternehmer und die Stadt haben sich auf einen Vorvertrag geeinigt. Baubeginn könnte 2027 sein. "
Das sind gute Nachrichten, finde ich. Was gibts da also schon wieder zu mäkeln? Im geplanten Baugebiet "Am Totenmann" läuft alles. Aber wie sollte ich der Versuchung widerstehen, den Artikel im Echo mit diesem Bild zu kommentieren? Eine gute Gelegenheit etwas hinter die Kulissen der kommunalen Entscheidungsfindung zu blicken.
Bürokratie
Schon gehört: Neuen Wohnraum zu schaffen ist heutzutage ein schier unglaublicher bürokratischer Hindernislauf. Da kann man schonmal abmagern zwischendurch. Das ist schlecht, aber es gibt natürlich gute Absichten dabei. Eine davon ist die Bürgerbeteiligung. Die gibt es in der direkten Form - Betroffene können ihren Senf dazu geben, Einspruch einlegen, klagen. Und es gibt die indirekte Bürgerbeteiligung über die gewählten Volksvertreter. Die ist weitaus mächtiger, als die direkte. In Pfungstadt heißen die Vertreter Stadtverordneten. Davon gibts 37 und die wurden von nur 48,5 Prozent der Wähler gewählt. Sie entscheiden schlicht, ob gebaut wird oder nicht. Ich zitiere erneut meinen exemplarischen Dialog:
"Hey Mathias wo gehts hin? - Zur Stadtverordnetenversammlung, geht heute um Baugebiet xy - Wie, du willst mir doch nicht erzählen dass ihr Heinis da jetzt darüber entscheidet ob Baugebiet xy kommt oder nicht? - Doch, das tun wir."
De Urbe et Cive
Nur wenige wissen es, nur wenige interessiert es offensichtlich, welchen Einfluß diese Stadtverordneten auf die Entwicklung eines solchen Baugebietes haben. Naja, anderes Thema.
Aber, auch die Stadtverwaltung selbst, der Magistrat, die Bauverwaltung kann dem Investor, dem Bauwilligen das Leben zur Hölle machen. Oder auch nicht. Da kommt dann die feine Balance zwischen Politik und Verwaltung, zwischen Magistrat und Stadtverordneten zum tragen. Bei aller Schelte des politikmüden Bürgers - die Aufgabe, seinen politischen Willen in diesem Prozess vertreten zu sehen, hat er, hoffentlich, durch Wahl an "seine Stadtverordneten" delegiert. Wobei "politisch" hier tatsächlich im ursprünglichen Sinn gemeint ist - die Stadt, die "Polis" betreffend. Der Stadtverordnete, der politische Vertreter des mündigen Bürgers muß jetzt ran. Die, die nicht gewählt haben, müssen das Beste hoffen.
Vorkaufsrecht
Die Stadtverwaltung könnte etwa, in Absprache mit den Stadtverordneten ihr "allgemeines Vorkaufsrecht" nach § 24 des Baugesetzbuches ziehen. Sie könnte dem Investor also kraft Amtes, unter bestimmten Umständen, die Grundstücke "vor der Nase wegschnappen". Warum? Klar, um dann eben nicht marktwirtschaftlich sondern "politisch" bauen zu können. Kann man gut oder schlecht finden, eine Frage der politischen Ausrichtung. Des politischen Willens. Es sei denn man hat keinen. Betrachtet das Ganze etwa aus einer rein technischen, einer vermeintlich unabhängigen Perspektive. Ich habe selbst innerhalb meiner Partei Mitglieder erlebt, die entnervt aufgeben, weil sie politische Entscheidungen mit fachlichen verwechseln. Gerade gut Ausgebildete sind anfällig für diesen Fehler. Da kann ich nur sagen: Memento mori. Ich schweife ab.
Beim Baugebiet "Grüner Weg" ist man so vorgegangen, hat den Weg des Ankaufs der Grundstücke über "die Stadt" gewählt. Mit dem bekannten Ergebnis - jahrelanger Stillstand. "Toter Mann" wäre bezüglich Bautätigkeit der bessere Name für dieses Projekt. Ein Thema für sich.
Google Streetview, Hahn, Blick von der Gehrengasse auf Grundstücke "Lange Gewann, Am Totenmann"
Am Totenmann deutet alles darauf hin, dass Einigkeit besteht, diesen Fehler so eben nicht zu machen. Das wäre eine gute Entscheidung. Warum im Konjunktiv, dazu kommen wir noch.
Organversagen
Auch das habe ich hier schon des öfteren aufgeschrieben: Eine städtische Verwaltung hat bestimmte Aufgaben. Bestimmte Handlungsschwerpunkte, gesetzlich, bürgerlich, und damit auch entsprechende Kompetenzen. Die Projektentwicklung gehört nicht dazu. Nicht die von Baugebieten, nicht die von Schwimmbädern und nicht die von Hessentagen. Es geht schief. Eine Stadtentwicklungsgesellschaft ist da kein Ausweg. Sie hat ebenfalls ihre Daseinsberechtigung, gut dass wir sie haben. Aber jede Ressource ist begrenzt. Das nennt man übrigens Marktwirtschaft. Kann man einen eigenen Artikel zu schreiben.
Vorsicht
Ich unterscheide hierbei sehr deutlich zwischen "der Stadtverwaltung" als Organ und den einzelnen Mitarbeitern. Diese Abgrenzung ist außerordentlich wichtig. Viele meiner Kollegen in der Stadtverordnetenversammlung und auch in der Kandidatur um das Bürgermeisteramts tun dies nicht: Sie setzen Organkompetenz und -inkompetenz (im Sinne von Zuständigkeit und damit eben auch Fähigkeit) mit ihrer eigenen Bewertung der Leistung einzelner Mitarbeiter gleich. Das ist, neben einer gewissen Selbstüberschätzung, ein Fehler, der zu Problemen auf vielen Ebenen führt. Aber leider geübte Praxis. Führung ist eine Kunst. Ein anderes Thema.
Städtebaulicher Vertrag
Ein weiteres Instrument kommunaler Investitionsabschreckung sind etwa städtebauliche Verträge. Durchaus in bestimmten Situation hilfreich, nützlich, wichtig. Können aber schnell zum Kommunal-Scheinunabhängigkeits-Aushängeschild verkommen. Zum Alibi. "Das macht man halt so" heißt dann: Es wird kompliziert, langwierig und teuer. Muß nicht, kann aber.
Stadtverordnetenversammlung
Man sieht - keine ganz einfache Gemengelage. Eine, die die Abwägung unterschiedlichster Interessen erfordert. Kompromisse. Wie gut, dass es Kommunalpolitiker gibt, die nicht nur im eigenen örtlichen Stall stehen. Die mit politischen Leitlinien ausgestattet sind. Ich zum Beispiel sehe als freier Demokrat keinerlei Gründe, einem Bauherren zusätzlich Steine in den Weg legen zu müssen. Mich schüttelt es nicht bei dem Gedanken, dass Wohnraum privat und nach eigenem Gutdünken, in bestehenden Grenzen natürlich, sowieso, gebaut wird. Über all das wird diskutiert und entschieden - in der Stadtverordnetenversammlung. Also der Versammlung aller 37 gewählter Bürgervertreter. Sonst wird übrigens nirgends entscheiden. Nicht im Büro des Bürgermeisters, nicht im Echo, nicht am Stammtisch, nicht in Fraktionssitzungen.
Ausschüsse
Die Stadtverordnetenversammlung wiederum bildet sogenannte Ausschüsse - in der Regel Gruppen von Stadtverordneten, die sich mit bestimmten Themen fachlich tiefer auseinandersetzen. Sollten. Etwa über das Thema: Baugebiet: "Am Totenmannn" im HFW am 17. Juli 2025. Was nicht passieren sollte ist, dass diese Ausschüsse zu Bühnen der Selbstdarstellung für Hobbypolitiker werden. No offense, ich bin selbst einer. In Pfungstadt ist das so. Die Schauspiele, die man dort zuweilen geboten bekommt, grenzen an Körperverletzung. Und sind nicht sachdienlich. In völliger und absurder Vergessenheit des eigentlichen Auftrages - nämlich der Repräsentanz des eigenen Wählers, siehe oben. Nicht immer, ab und zu. Viel zu oft. DA sind wir bei berechtigter Kritik des Wählers. Für diese ungehemmten Darbietungen schamloser Selbtsbeweihräucherung muß sich niemand in die Wahlkabine schleppen. Aber gerade deswegen ist es ja so wichtig, in die Kabine zu gehen und zu prüfen, an wen man sich da bindet. WEM man sein Mandat für die Kunst des Interessenausgleichs, der Kompromissfindung und produktiven Beschlussfassung übergibt. Jetzt kommen wir zum Thema. Meine Güte, was ist denn jetzt das Thema?
Über das Vorgehen bezüglich des Baugebiets Am Totenmann wird in der Stadtverordnetenversammlung entschieden. Nicht im Ausschuss. Da irrt das Echo. Es schadet dem Ansehen "der Politik", wenn der Eindruck entsteht, dass in Ausschüssen Entscheidungen gefällt werden, Richtungsentscheidungen getroffen werden. Unter Umgehung des eigentlichen Gremiums, der Stadtverordnetenversammlung. Beim Schwimmbad war das zeitweise so - eine Katastrophe. Und das Echo sollte diesen Eindruck nicht unterstützen. Der Weg ist noch nicht frei, wie das Echo schreibt. So sehr ich mir das auch wünschen würde - aber nur weil im HFW irgendwas besprochen wurde, ist es noch lange nicht Beschlusslage. Ja, die Zeichen stehen gut in der nächsten StVV. In der ALLE Bürgervertreter beschließen, wie es weiter geht.
Alles OK. Wie gesagt: Ich kann pingelig sein. Vielleicht sollten wir mal über den Namen des Baugebiets nachdenken. Wollen Sie "Am Totenmann" wohnen?
Post Scriptum
Wo kommt der Name her? Ein sehr gute Frage. Im Moment ist ja mehr ein Arbeitstitel. Er leitet sich wohl vom Namen eines Flurstücks bzw. Gewanns ab, das als "Am Totenmann" bezeichnet wird. Wo der Name herkommt, darüber habe ich keine Informationen gefunden. Wäre mal eine Frage an die Heimatforscher? Ich denke natürlich nicht, dass man das gesamte Baugebiet so nennen wird. Wobei: Cool wärs ja?
Quellen / Links
Bild: Adobe Stock, Mathias Zeuner
Echo - Neuer Wohnraum in Hahn: Ortserweiterung rückt näher
https://www.echo-online.de/lokales/kreis-darmstadt-dieburg/pfungstadt/neuer-wohnraum-in-hahn-ortserweiterung-rueckt-naeher-4803347
Mathias Zeuner ist pingelig. Manchmal
https://mzblog/2025/07/pingelig.html
Mathias Zeuner freut sich über die Konversion des ehemaligen Brauereigeländes
https://mzblog.de/2025/07/die-brauerei.html
Mathias Zeuner über die Stadt und den Bürger
https://mzblog.de/2025/07/de-urbe-et-cive.html
Mathias Zeuner hat keinen Porsche
https://mzblog.de/2025/07/porsche.html
SEG - Grüner Weg
https://www.seg-pfungstadt.de/gruener-weg/
Baugesetzbuch
https://www.gesetze-im-internet.de/bbaug/
Stadtverordnetenversammlung. Einladung zur 61. Sitzung des Haupt-, Finanz und Wirtschaftsausschusses.
https://sdnet.pfungstadt.de/tops/?__=UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZdnn11oxRvg0O3IDcSk0w8I
Artikel als pdf zum Download/Drucken
https://mathias-zeuner.wahl.freie-demokraten.de/sites/default/files/2025-08/Dead%20Man250731.pdf
Pfungstadt 2032 - Machen Sie mit!
https://pfungstadt2032.de
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